Texte

Der Raum in meinem Kopf

Der Raum in meinem Kopf wirkt manchmal so groß und unendlich wie das Universum, es wirkt so als ob ich mich darin verlieren könnte. Ich traue mich gar nicht zu weit zu gehen, weil was passiert, wenn ich verloren gehe, davon schwebe, nicht mehr zurückfinde? Wie ein Echo klingen Dinge, die zu mir gesagt werden durch alle Windungen, prallen an meiner Schädeldecke ab und kommen wieder zurück und dann fühlt es sich so an als hätte es nicht nur eine Person gesagt, sondern hunderte immer und immer wieder.

Der Raum in meinem Kopf ist manchmal voll Chaos – vollgestopft mit Dingen, die ich nicht mehr brauche, aber auch nicht hergeben kann. Ich stolpere über alte Erinnerungen, wenn ich eigentlich etwas ganz Anderes suche und bin dann gefangen in den alten Bildern und Erlebnissen, die schon ganz staubig sind.

Der Raum in meinem Kopf ist manchmal ganz eng, so dass ich gar keinen Platz darin finde für Neues. Es ist so eng, dass ich lieber zumache und es ignoriere als mir darin Platz zu schaffen, zu lüften, die Vorhänge aufzuziehen und meine Gehirnzellen aufzuwecken und ihnen anzuschaffen „hier endlich einmal aufzuräumen und auszumisten“.

Der Raum in meinem Kopf ist manchmal heiß wie in einer Sauna oder eher wie in einem Kontrollraum, wo alle Knöpfe leuchten und eine rote Sirene signalisiert, dass etwas nicht stimmt – das System gehört gekühlt, heruntergefahren und neugestartet, bevor es sich selbst zerstört.

Der Raum in meinem Kopf ist manchmal ganz leer – ich hüpfe wie über eine Blumenwiese dahin und kann mir dann gar nicht vorstellen, dass es hier zu eng wird oder chaotisch ist – es ist doch gerade so friedlich und genug Platz, um Ideen wachsen zu lassen und ihnen dabei zuzusehen, wie sie Früchte tragen. Dann steht die Zeit still.

Der Raum in meinem Kopf ist vieles, aber er ist niemals nur ein Raum. Es ist eine Welt, die sich ständig verändert und verwandelt. Manchmal frage ich mich, ob das alles real ist, was in diesem Raum vor sich geht und dann stelle ich fest, es ist egal. Denn der Raum in meinem Kopf ist mein Raum, meine Welt und ich gestalte sie.

Die Welt in meinem Kopf ist meist präsenter als mein Körper in der Welt da draußen.

mp

„12 Tage bis Weihnachten“ geht in die dritte Runde. Schauspielerin und Lyrikerin Michaela Prendl verbreitet bereits zum 3. Mal Weihnachtsstimmung und Weihnachtsfreude per Mail. Was begonnen hat als eine Idee, um mit Familie und Freund*innen in der Weihnachtszeit in Verbindung zu bleiben, hat sich zu einer Tradition mit über 100 Menschen entwickelt. Ihr Newsletter erreicht diese verteilt durch ganz Österreich und Deutschland und sogar bis in die USA. Michaela schreibt ganz bewusst, dass ihre E-Mails eine kleine Ausflucht sein sollen, denn jeder kennt das Verlangen einfach mal kurz abschalten zu können: „Die Welt liegt im Chaos, und doch dreht sie sich weiter. Auf der einen Seite wirkt es absurd in träumerischen Welten zu verschwinden und bei Kerzenschein Weihnachten zu romantisieren und auf der anderen Seite sehe ich diesen Newsletter als kleine Ausflucht, kleine Oase, zur Erholung um dich kurz, aus der brutalen Realität, die uns ständig umgibt, zu entführen.“

Ab 12. Dezember bis Weihnachten erhalten ihre Abonnent*innen jeden Tag eine E-Mail, gefüllt mit einem selbstgeschriebenen Gedicht, einer Geschichte oder einem Text. Wenn auch du Interesse daran hast, einfach eine Mail an office@michaelaprendl.com mit Namen und E-Mail-Adresse schicken.

Copyright Foto: Gabriele Wölfler

Heuer geht „12 Tage bis Weihnachten“ in die zweite Runde. Ab 12. Dezember bekommst du Gedanken, Gefühle, Erlebnisse, Worte,… von mir per E-Mail zugeschickt. Ich freue mich heuer wieder meine Texte teilen zu können. Weihnachten ist einfach eine magische Zeit. Wenn ich schreibe, bin ich auch oft an einem magischen Ort. Beim Schreiben werde ich in andere Zeiten transportiert, manchmal in die (meine) Vergangenheit, manchmal in eine (meine) Wunschzukunft, manchmal an Orte, die ich schon besucht habe, sei es in diesem Leben oder einem vergangenem. Ich werde in Emotionen transportiert, die ich kenne und schon oft erlebt habe und manchmal weiß ich gar nicht, ob das meine Gefühle sind oder ob ich mir diese Erfahrung von jemand anderen ausborge. Ich schreibe diese Texte, um Erlebnisse zu verarbeiten, aber meistens überkommen sie mich ohne, dass ich etwas von ihnen erwarte, als ob mir jemand diese Worte zuflüstert, weil ich sie genau in diesem Moment hören muss. Ich habe das Gefühl, dass diese Texte nicht (nur) mir gehören und deswegen ist es umso schöner sie zu teilen. Ich hoffe, heuer erneut mit meinen Texten Nähe zu schaffen und Lichtblicke zu bringen, denn ich glaube, zurzeit sehnen wir uns mehr denn je danach.

Falls du heuer auch dabei sein willst, schick mir eine E-Mail an mprendl.writing@gmail.com

Ich freue mich auf magische, besinnliche Tage mit dir. Bis bald.

In Liebe, M

(c) 2021 Michaela Prendl

 

(c) 2021 Michaela Prendl

Eine Geschichte aus New York…

Als ich im Februar letzten Jahres für ein Monat in New York war, kam der Moment in der Mitte meines Aufenthaltes, als mich eine unglaublich schmerzhafte Welle der Einsamkeit überkam. Ich kannte diese Einsamkeit, sie war schon eine alte Freundin aus Österreich, die mich nach New York verfolgte. Nach einem langen Telefonat mit Zuhause, machte ich einen Spaziergang durch Central Park. Es war ein nebliger, regnerischer Tag passend zu meiner Melancholie. Versunken in der Musik, die durch meine Kopfhörer in meine Ohren und dann durch meinen ganzen Körper drang, trug es mich quer durch den Park. Es war ein – für New York – verhältnismäßig leerer Park. Da fiel mir eine Frau mit Tochter auf, die bei einer weiteren Frau stand. Sie erklärte ihnen etwas, die Tochter versuchte ihrer Mutter das Englisch in eine mir unbekannte Sprache zu übersetzten. Ich wurde stutzig, nahm meine Kopfhörer ab und erblickte ein rosa Schild mit der Aufschrift „Poem – Gedicht“. Die Tochter und die Mutter zogen weiter und da fiel der Blick der Frau, die wie ich später erfuhr Mary Jones hieß, auf mich. Sofort erkundigte ich mich, worum es hier ging und sie erklärte mir, dass sie gegen eine kleine Spende Gedichte frei improvisierte. Ich war fasziniert. Von der freien Spende finanzierte sie sich Klavierstunden, was, da sie ihre Schwester betreute, das einzige sei, das sie sich selbst gönnte. Und dann fragte sie mich diese magischen Worte, die mich noch heute tief berühren – manche von euch kennen sie schon: „With one word, what would make you happy? – Mit einem Wort, was würde dich glücklich machen?“ Ich dachte kurz nach, ich wollte eine kluge, philosophische Antwort geben, doch ich bremste meinen Gedankengang und fragte mich, was mich hier und jetzt in diesem Moment glücklich machen würde. „A hug – eine Umarmung“ sagte ich und uns beiden stiegen die Tränen in die Augen und Mary Jones nahm mich in die Arme und drückte mich. Sie erklärte mir, warum sie das gerade so berührte. Am selben Tag antwortete ihr ein Mann auf die gleiche Frage „Attention – Aufmerksamkeit“, worauf sie ihn umarmte. Und plötzlich startete sie ein Gedicht über Umarmungen zu reimen. Ich kann keinen der Sätze heute wiedergeben, geschweige denn mich an den Inhalt erinnern, doch ich kann mich noch ganz genau an den Moment und das Gefühl erinnern. Wie die Worte, die sie sprach mein Herz berührten, wie ich durch meine Tränen verschwommen in ihre tief braunen Augen blickte und doch alles glasklar schien. Es gab eine Verbindung zwischen uns –so magisch, so faszinierend, so vertrauensvoll. Und mir rollten wortwörtlich dicke Krokodilstränen das Gesicht hinunter. Ich bewegte mich nicht. Voll und ganz galt meine Aufmerksamkeit ihrer Stimme, ihren Augen, ihrer Aura. Ich fühlte mich einfach Geborgen in diesem Moment. Als sie das Gedicht beendete, war ich sprachlos, ich legte meine Hände auf mein Herz, um ihr meine Dankbarkeit zu signalisieren und um diesen Moment für immer in meinem Herzen zu speichern. Danach umarmten wir uns noch einmal. Eine Vorstellung, die jetzt 1 Jahr später unvorstellbar ist – ein Monat danach schon unvorstellbar war. Wir nicht einmal all unsere Liebsten zurzeit umarmen, geschweige denn eine fremde Person auf der Straße oder in einem Park. Mary Jones und ich unterhielten uns danach noch ein bisschen und als ich an diesem Abend in mein Bett sank, wusste ich, dieser Moment ist ein Wunder gewesen – Gott war anwesend und hat ihn mir geschenkt, um mir zu zeigen, dass ich nicht allein bin, auch wenn ich mich einsam fühle.Ich habe das Gefühl, wir alle sind müde, müde der Vorschriften, Verbote und Vorsicht… Wir vermissen Menschen, Ereignisse, Situationen, wir vermissen es „zu leben“. Ich vermisse es vor allem unterwegs zu sein, Gespräche zu führen, neue Menschen kennen zu lernen. Ich wollte diese wundervolle Geschichte einfach mit euch teilen und vielleicht inspiriert sie euch ja in den nächsten Tagen den Abstand zu jemand Fremden zu überbrücken und etwas zu geben – einen Moment mit einer fremden Person zu teilen. Es wird wohl keine Umarmung sein, wie sie mir Mary Jones in Worten und Taten schenkte. Aber man glaubt oft gar nicht, was man mit kleinen Gesten erreichen kann, wie man eine andere Person berühren kann. Und wer weiß, vielleicht erzählt jemand in einem Jahr genau dieses Erlebnis weiter. Wir sind voller Liebe, lasst uns ein bisschen davon verschenken und so dieser blöden Einsamkeit eines auswischen.

mp

 

(c) 2020 Michaela Prendl

Als ich wieder einmal gedankenverloren am Flussufer stehe, bekräftigt der Baum seinen Standpunkt: „Wenn du hoch hinaus willst, musst du gut verwurzelt sein.“ Daraufhin flüstert mir der Fluss zu: „Wenn du weiterkommen willst, musst du ständig in Bewegung sein.“ Ich lächle in mich hinein und habe schon längst für mich beschlossen: „Das eine schließt das andere nicht aus.“

mp

 

(c) 2020 Michaela Prendl

Mir fehlen selten die Worte, wenn ich sprachlos werde, überschlagen sich meine Gefühle und ich kann keinen klaren Gedanken fassen. In dieser Zeit, in der man so vieles nicht versteht, ist es einfach sich abzukapseln und allem entfliehen zu wollen… doch klappt das? Ein weißes Blatt Papier ist wie ein Freund, der immer ein offenes Ohr für mich hat, mich nie verurteilt und keines meiner Geheimnisse ausplaudert. Es empfängt mich immer mit einer herzlichen Offenheit und wenn die Seiten vollgeschrieben sind, fühlt es sich an als hätte ich eine lange, feste Umarmung bekommen. Mein Herz ist leichter und meine Gedanken klarer. Diese Blätter haben mich durch die letzten Jahre getragen und vor allem dieses Jahr mir Heimat gegeben. Ich würde gerne mich euch ein bisschen der Hektik entfliehen, Distanzen mit euch überbrücken und euch ein Gefühl von Geborgenheit geben in einer Zeit, in der Angst, Trennung und Stress uns bestimmen.
Wie?
Ab 13. Dezember bekommt ihr per Mail jeden Tag einen Impuls, Gedanken, Gedicht, Geschichte, Bild… von mir… lasst es auf euch wirken, konsumiert es und saugt es auf.
Falls du dabei sein willst, schick mir privat eine Nachricht mit deiner E-Mail-Adresse. Ich freu mich auf 12 wunderschöne Tage mit euch.

In Liebe, M

 

(c) 2020 Michaela Prendl

 

 

als der wind meine haut berührte
atmete ich ein
fühlte die erregung
alles um mich begann zu leben
zuerst war es nur ein leises geräusch
aber es wurde lauter und lauter
bis es mich durchdrang
mich einnahm
und alles eins wurde

mp

 

 

(c) 2020 Gabriele Wölfler

ich lebe und liebe ich sterbe und verletze ich mach mich groß und versinke im boden ich will spielen und ernste gespräche führen ich fühle alles und bin manchmal stumpf ich kenn dich nicht und doch weiß ich wer du bist sagt mir nicht hoffnung und freude lust und begierde spaß und selbstliebe sind etwas schlechtes sagt mir nicht zweifel und trauer hass und abneigung schmerz und wut darf ich nicht empfinden lasst mich leben und lieben den sternen folgen und mich verlieren bücher nicht zu ende lesen dafür serien hundert mal streamen eins zwei drei gläser wein genießen und meine einsamkeit dabei preisen nachts ständig unterwegs sein und den morgen dann verpassen nicht wissen wohin aber mit vollem anlauf darauf zu steuern menschen kennen lernen und ihre geschichten zu meinen machen ach sagt mir nicht träume sind kindisch und sie zu erreichen unrealistisch sagt mir nicht das leben ist unfair und wie schlecht es uns allen geht und vor allem sagt mir nicht hoffnung und freude lust und begierde spaß und selbstliebe sind etwas schlechtes sagt mir nicht zweifel und trauer hass und abneigung schmerz und wut darf ich nicht empfinden denn ich lebe und liebe ja ich lebe und liebe

mp

 

(c) 2020 Michaela Prendl